Grundlagen

erstellt am 05.04.2022 von Christoph Schwemberger — zuletzt geändert 18.08.2023

Die richtige Baumaterialwahl wird immer wichtiger, da der Energieeinsatz für die Herstellung eines Gebäudes in etwa gleich hoch ist wie der Aufwand für die Beheizung eines Niedrigenergiehauses während 50 Jahren.

Umweltgerechtes Bauen berücksichtigt daher bestmöglichen Wärmeschutz, erneuerbare Energieträger und ökologische Baustoffe. Die ökologische Baustoffwahl entlastet die Umwelt und die Geldbörse nachhaltig.

Der ökologische Optimierungsprozess lässt sich mittels Oekoindex (OI) des Gesamtgebäudes veranschaulichen. Der OI für ein Gebäude ist umso niedriger, je weniger nicht erneuerbare Energie eingesetzt und je weniger Treibhausgase und andere Emissionen bei der Produktion der Baustoffe und des Gebäudes zum Zeitpunkt der Errichtung, sowie für erforderliche Sanierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen abgegeben werden. 

 

Der Oekoindex verwendet von der Vielzahl an Umweltkategorien bzw. Stoffgrößen die folgenden drei:

  • Primärenergieinhalt (PEIne) – Herstellungsenergie nicht erneuerbar
  • Treibhauspotential (GWP) – Globale Erwärmung durch Treibhausgase
  • Versäuerungspotential (AP) – Regional wirksam auf Böden, Wald, Gewässer, etc.

Dabei werden diese jeweils zu 1/3 gewichtet. Der Oekoindex wird auf die Bruttogeschossfläche laut OIB-Leitfaden bezogen. Die Datengrundlagen werden durch das baubook (www.baubook.at) zur Verfügung gestellt und verwaltet.

 

Bilanzgrenzen-Konzept

Im Oekoindex-Leitfaden ist die Berechnung von Ökokennzahlen für Gebäude beschrieben und festgelegt. Mittels Bilanzgrenzen-Konzept (Bezugsgrenze BG1 bis BG6) kann die Betrachtung von der thermischen Gebäudehülle (BG0) bis zur Gebäude-Gesamtbetrachtung (BG6) gewählt werden. In Österreich werden hauptsächlich die Bezugsgrenzen BG0 und BG3 (inklusive Keller,…) verwendet.

Ab der Bilanzgrenze BG3 werden die Nutzungsdauern für die Bauteilschichten berücksichtigt. Dabei wird nicht nur die Gebäude-Errichtung in Betracht gezogen, sondern auch die erforderlichen Sanierungs- und Instandhaltungszyklen der Bauteilschichten im Laufe der Gesamtlebensdauer eines Gebäudes. Der standardisierte Betrachtungszeitraum wird mit 100 Jahren gem. ÖN EN 15804 angenommen.

 

Nachweis für Produkt-Hersteller

Der Oekoindex setzt sich aus den drei Indikatoren „Primärenergieinhalt, nicht erneuerbar“ (PEIne), „Treibhauspotential, 100 Jahre“ (GWP 100) und „Versauerungspotential“ (AP) zusammen. Diese drei Indikatoren sind mittels Ökobilanz gemäß Vorgaben des ‚Institut für Baubiologie und –ökologie‘ in Wien [IBO 2009] nachzuweisen.

Eine Ökobilanz ist eine quantitative Methode, um die Wirkungen von Produkten auf die Umwelt zu erfassen. Sie wird durch internationale Normen und Standards geregelt (ÖNORM EN ISO 14040 und 14044). In der baubook werden alle Umweltwirkungen aus der Herstellung der Bauprodukte – begonnen mit der Rohstoffgewinnung bis hin zum Werktor (vor Auslieferung des verkaufsfertigen, verpackten Produkts) – berücksichtigt. Das Treibhauspotential und das Versauerungspotential werden gemäß [CML 2001], der Primärenergieinhalt nach [Frischknecht et. al 2004] berechnet.

Zur Modellierung des Lebenszyklus wird das Software-System SimaPro 7.1 eingesetzt. Die Basisdaten stammen vorwiegend aus der Datenbank ecoinvent 2.0. Die verwendeten Daten sind grundsätzlich deutlich weniger als 3 Jahre alt.

 

 


Ökologische Bewertungsverfahren

Bauen ist jene Tätigkeit des Menschen, die mit den massivsten Eingriffen in das natürliche Ökosystem verbunden ist. Kein Wirtschaftszweig ist mit vergleichbaren Stoff- und Energie­strömen bzw. Landverbrauch verbunden, wie der Prozess des Bauens. Diese Ausnahme­stellung bringt es mit sich, dass Maßnahmen zur Ökologisierung des Prozesses einerseits besonders dringlich, andererseits auch besonders wirkungsvoll sein können.

Bei der umfassenden ökologischen Beurteilung sind sämtliche Lebensphasen des Bauwerks von der Herstellung und Verarbeitung über die Nutzung bis hin zur Entsorgung zu berücksichtigen. Mit der Durchführung von umweltorientierten Bewertungsverfahren soll eine wirksame Um­weltvorsorge erreicht werden. Statt nachträglicher Reparatur sollen durch vorbeugende Maß­nahmen mögliche zukünftige Schäden verhin­dert werden.

 

Umweltorientierte Bewertungsverfahren

Die Idee der umweltorientierten Bewertung wurde erstmals in den frühen 60er Jahren in den USA begonnen, realisiert, wobei hier die Bilanzierung des Energiebedarf im Mittelpunkt stand. Der Ölschock in den 70er Jahren führte letztendlich zur Bilanzierung von Materialien und Energien. In den 80er Jahren forcierte die Grünbewegung das Interesse an umweltorientierten Bewertungsverfahren, und viele Institutionen begannen mit der Erstellung von umweltorientierten Bewertungen. Führend und richtungsweisend in diesem Sinne sind das Bundesamt für Umwelt, Wald und Luft (BUWAL) in der Schweiz, das CML (Centrum vor Milieukunde) der Universität Leiden in den Niederlanden, das Umweltbundesamt Berlin und das IÖW in Deutschland und Österreich.

Mit den vielfältigen Verfahren und unterschiedlichen Ansätzen der Institutionen zur umweltorientierten Bewertung ging auch eine entsprechende Begriffsverwirrung einher, die im Zuge von Normierungsbestrebungen, vor allem von ISO (Internationale Standort Organisation) und SETAC (Society of Environmental Toxicology and Chemistry) behoben wurden.

 

Anforderungen an Bewer­tungs­ver­fahren

Ähnlich wie die gesetzlich verankerte Umweltverträglichkeitsprüfung verstehen sich umwelt­orientierte Bewertungsverfahren i.a. als Instrumente der Entscheidungs­vor­bereitung. Die im Verfahren prognostizierten bzw. festgestellten ökologischen Bela­stungen sind ein be­wertendes Gut­achten über ein Vorhaben bzw. einen Zustand. Gegenstand der Untersuchungen ist immer ein Objekt, Produkt oder Prozess mit seinen Aus­wirkungen auf:

  • Mensch, Tier und Pflanzen
  • Boden, Wasser, Luft und Klima
  • Landschaft und Raum
  • Sachgüter und kulturelles Erbe
  • Hinzu kommen die Wechselwirkungen zwischen den genannten Faktoren. 
Als Grund­lage des Konzepts gilt zu­nächst, dass die Analyse des Vor­habens den gesamten Lebens­zyklus "Von der Wiege bis zur Bahre" berück­sichtigen muss. Bei der Durchführung von umweltorientierten Analysen, sollte ein vier­stufiges Konzept heran­gezogen werden.
 
  1. Zieldefinition
  2. Sachbilanz
  3. Wirkbilanz
  4. Bewertung/Schwachstellenanalyse

 

1.) Zieldefinition
An erster Stelle steht eine klare Zieldefinition. In der Zieldefinition wird zunächst der Unter­su­chungs­gegenstand exakt definiert und im Weiteren festgelegt, welchen Zweck die Studie erfüllen soll. Die Ebenen der berücksichtigten Wechsel­wirkungen sind klarzustellen, womit im wesent­lichen die relevanten Stoff- und Ener­gie­flüsse taxativ aufgelistet werden. Durch diese Vor­gangsweise werden die Grenzen des Systems definiert. Eine Zieldefinition muss deshalb danach streben, folgende Anfor­de­rungen für eine umweltorientierte Bewertung zu gewährleisten:

  • Vollständigkeit
  • Transparenz
  • Nachvollziehbarkeit
  • Erstellung nach einheitlichen Kriterien

 

2.) Sachbilanz:
Der nächste Schritt befasst sich mit der Analyse aller beteiligten Flüsse von Ener­gie und Materie, die im Lebenszyklus des Vorhabens relevant sind. Dieser Schritt wird als Sachbilanz bezeichnet.

Wichtig ist, dass hier nicht nur das Untersuchungsobjekt in seinem Ist-Zustand ana­lysiert wird, sondern auch die Belastungen berücksichtigt werden, die durch die not­wen­dige Rohstofferschließung, -bringung, die Ver­ar­beitung des Produktes, die Distribution, die Nutzung und Wartung sowie durch Recycling, Wiederverwertung und Deponierung verursacht werden.

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3.) Wirkbilanz:
In der Wirkbilanz sollen die durch die Material- und Energieflüsse beding­ten Aus­wir­kungen auf Mensch und Umwelt analysiert werden. Vom wissenschaftlichen Anspruch ist der Schritt der Wirkbilanz derzeit die große Heraus­forderung einer umfassenden umweltorientierten Bewertung.

 Neben der Komplexität der Aufgabe durch syner­gisti­sche Kopplungen einzelner Faktoren er­geben sich Probleme in der Fest­legung eines all­ge­mein aner­kannten und akzeptierten Bezugssystems. Werden rein humanto­xi­kologische oder auch umwelt­toxikologische Faktoren in Betracht gezogen? Sind es wissen­schaft­liche Er­kennt­­nisse, die den Rahmen der Einstufung bil­den, oder sind es wirtschaft­liche und poli­tische Erfor­dernisse?

 

4.) Bewertung/Schwachstellenanalyse:
Am Ende des Verfahrens steht die Bewertung bzw. Schwachstellen­analyse selbst. Die Bewertung mit den daraus resultierende Maßnahmen (z.B. Grenzwerte, Verbote und Gebote, Umstellen des Produktionsver­fahrens u.a.) kann und soll im Allgemeinen nicht von der Wissenschaft bzw. Fach­leuten durchgeführt werden. Hier sind die befugten Instanzen ge­fordert, seien es politische Ent­schei­dungs­träger, Hersteller, Handel oder Ver­brau­cher, die auf der Grundlage des umwelt­orien­tierten Fachgutachtens eine Ent­scheidung zu treffen und zu tragen haben. Um­welt­orientierte Bewertungsverfahren liefern Daten und Informationen und die­nen in diesem Sinn aus­schließlich als eine Entscheidungsgrundlage.

Die Schwachstellenanalyse als Ergebnis eines umweltorientierten Bewertungsverfahren ist auf betriebswirtschaftliche Interessen ausgerichtet und dient somit der Findung von betrieblichen Optimierungsstrategien, wobei sowohl ökonomische wie auch ökologische Kriterien herange­zogen werden.

 

 


Baustoffe mit Transparenz -das österreichische EPD-Programm für Bauprodukte

 

Die EPD als Deklaration für Umweltindikatoren

Umwelt-Produktdeklarationen (EPDs, Environmental Product Declarations) für Bauprodukte bilden die Datengrundlage für die ökologische Produkt- und Gebäudebewertung. EPDs müssen alle maßgeblichen Umweltaspekte des Produkts im Verlauf einzelner Stadien des Lebenszyklus eines Bauprodukts berücksichtigen. Die ökologische Bewertung von Baustoffen im Gebäudekontext im Rahmen einer Gebäudeökobilanz wird so ermöglicht. EPDs beinhalten neben umweltbezogenen Daten auch Informationen über wesentliche technisch-funktionale Eigenschaften des Produkts. Die Daten einer EPD müssen durch unabhängige Dritte verifiziert werden („Third Party Verification“). 

 

Wozu EPDs?

  • EPDs werden von allen gängigen Gebäude-Zertifizierungssystemen (DGNB-ÖGNI, ÖGNB-TQB, klimaaktiv) als Grundlage herangezogen und stellen auch eine Datengrundlage für alle validierten Bauphysik-Softwareprogramme in Österreich dar.
  • Umwelt-Produktdeklarationen basieren auf internationalen Normen (ISO 14025; ISO 14040ff) – sowie der Europäischen DIN EN 15804 und sind deshalb international abgestimmt. Die Verifizierung durch Dritte garantiert Vergleichbarkeit und Transparenz. Dies ermöglicht die Anerkennung der österreichischen EPDs in anderen EU-Ländern und umgekehrt.
  • Umwelt-Produktdeklarationen bieten eine relevante Datengrundlage, um Umwelteigenschaften eines Produktes auf Gebäudeebene im Marketing oder Verkauf darzustellen.
  • EPDs sind in erster Linie für den Informationsaustausch innerhalb der anbietenden Wirtschaft gedacht (business to business).

Informationen: www.bau-epd.at

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