CO₂-Speicherung in Baustoffen gemäß aspern klimafit 2.0

erstellt am 30.09.2024 zuletzt geändert 14.01.2025

In aspern klimafit 2.0 wurden auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse Modelle für die Anrechnung der CO₂-Speicherung festgelegt, die zum Teil über die aktuellen Vorschriften für die Ökobilanzierung von Baustoffen hinausgehen. Diese wurden in baubook/eco2soft im Kennwertekatalog „aspern klimafit 2.0“ berücksichtigt.

CO2-Speicherung in Baustoffen

Prozesse können CO2 aus der Atmosphäre entziehen wie beispielsweise das Wachstum von Pflanzen (Photosynthese) oder die Carbonatisierung von gebrannten Kalkerzeugnissen wie Baukalk oder Zement. Diese Prozesse verlaufen zeitlich variabel über lange Zeiträume. Die CO2-Speicherung bzw. die ihr zugrundeliegende Entnahme von Kohlendioxid aus der Atmosphäre wird in Ökobilanzen als negative Emission (mit einem negativen Vorzeichen) modelliert.

CO2-Speicherung in Biomasse

Wird CO2 von Biomasse (z.B. Holz, einjährige Pflanzen, Schafwolle) aufgenommen, spricht man von biogenem CO2. Die Menge an aufgenommenen CO2 wird aus dem biogenen Kohlenstoffgehalt (C-Gehalt) des Rohstoffs ermittelt. Für das Wachstum von 1 kg Holz (atro) ist zum Beispiel die Aufnahme von 1,83 kg CO2 aus der Atmosphäre erforderlich. Laut Norm geht die Aufnahme von biogenem CO2 in Biomasse als negativer Wert und zu 100 %, also mit −1 kg CO2-eq (Äquivalenten) pro kg CO2, in den Indikator GWP biogen ein. Emissionen von biogenem CO2 aus Biomasse und Übergänge von Biomasse in nachfolgende Produktsysteme müssen umgekehrt als positiver Wert (+1 kg CO2-eq/kg CO2) charakterisiert werden. In aspern klimafit wird die CO2-Aufnahme auf Basis wissenschaftlicher Untersuchungen differenzierter betrachtet (Details sind im [Handbuch aspern klimafit 2.0, Seite 62) zu finden):

  • Für Baustoffe aus biogenen Rohstoffen mit einem Jahr Umtriebszeit werden 100 % des biogenen CO2-Speichers angerechnet (z.B. Stroh, Hanf, Flachs,).
  • Für Baustoffe aus Pflanzen mit längeren Umtriebszeiten, wie Bäume, wird ein Wert von insgesamt 55 % des enthaltenen biogenen CO2 angerechnet.
  • Für Holz, das nachweislich aus Bäumen mit Borkenkäferbefall, Windwurf etc. entstammt (Kalamitätenholz), wird 100 % des biogenen CO2-Speichers berücksichtigt.
  • Für Rohstoffe aus Recyclingmaterialien (Altholz, Altpapier, etc.) wird 100 % des biogenen CO2-Speichers berücksichtigt.

CO2-Speicherung in mineralischen Baustoffen (Carbonatisierung)

Bei der natürlichen Carbonatisierung wird das während der Kalzinierung freigesetzte CO2 aus dem Kalkstein wieder eingebunden. Laut Abschätzungen liegt die CO2-Aufnahme über 60 Jahre bei geeigneten Umgebungsbedingungen zwischen 0,5 % (realistisch) und 1,5 % (optimistisch) der Treibhausemissionen für die Herstellung. In aspern klimafit können für mineralische Baustoffe, die unter den gegebenen Einbaubedingungen CO2 aufnehmen können, ohne Nachweis 0,5 % für die natürliche Carbonatisierung im Indikator GWP-fossil angerechnet werden.

Bei der beschleunigten Carbonatisierung wird Recycling-Betongranulat mehrere Stunden mit CO2 begast, wodurch sich ein Teil des kalzinierten Zements zu Kalkstein umwandelt. Es können ca. 5,7 kg CO2 pro Tonne Recycling-Betongranulat eingebunden werden. Der Aufwand für Aufbereitung, Begasung etc. ist zu berücksichtigen und wird im GWP-fossil berücksichtigt.

Nachweise:

  • Die CO2-Speicherung durch natürliche Carbonatisierung über 0,5 % ist über verifizierte Berechnungen mit genauer Beschreibung der Rahmenbedingungen nachzuweisen.
  • Die CO2-Speicherung durch beschleunigte Carbonatisierung muss über die tatsächlich aufgenommenen CO2-Mengen nachgewiesen werden. Der CO2-Verbrauch bei der Begasung ist nicht ausschlaggebend.

Für Ökobilanzspezialist*innen: Die in „aspern klimafit 2.0“ beschriebene Carbonatisierung müsste eigentlich in Modul B1 (Nutzungsphase) bzw. in den Modulen C1-C4 (Entsorgungsphase) bilanziert werden. Da dieses Modul jedoch nicht Teil der Systemgrenze ist, wird die Carbonatisierung in A1-A3 abgebildet.

CO2-Speicherung in Zuschlagstoff aus Pflanzenkohle in Beton

Pflanzenkohle wird mit Hilfe der Pyrolyse-Technologie aus Holz oder landwirtschaftlichen Abfällen hergestellt. Unter Sauerstoffabschluss wird ein Teil des Kohlenstoffs eingefangen und in der Kohle gespeichert. Die Zulässigkeit der Anrechnung des gespeicherten CO2 im Beton ist umstritten, da die Pflanzenkohle der Landwirtschaft entzogen wird, wo sie ein wertvoller Zuschlagstoff sein könnte. Die Allokation der Belastungen aus dem Pyrolyseprozess auf alle entstehenden Produkte ist bis dato noch nicht transparent und nachvollziehbar publiziert.

CO2-Speicherung aus wiederverwendeten/verwerteten Baustoffen aus biogenen Rohstoffen

Für wiederverwendete Baustoffe aus biogenen Pflanzen wie Holz kann eine CO2-Speicherung über 100 % des im Baustoff enthaltenen biogenen Kohlenstoffs angerechnet werden. Die bei Transport und Aufbereitung entstehenden CO2eq-Emissionen der wiederverwendeten Baustoffe sind entsprechend zu berücksichtigen.

Einfluss der Nutzungsdauer auf die CO2-Speicherung

Alle eingesetzten Baustoffe müssen eine Mindest-Nutzungsdauer von 25 Jahren aufweisen. Für die Anrechnung der CO2-Speicherung müssen Baustoffe eine Mindest-Nutzungsdauer von 50 Jahren erreichen. Für typische Bauteile bzw. Bauteilschichten mit potenziell geringeren Nutzungsdauern wie Holzfenster oder Holzböden kann mit nachvollziehbar dargestellten Argumenten für eine Nutzungsdauer von mindestens 50 Jahren (z.B. Holzfenster mit Aluwetterschenkel, Fußböden mit wartbarer, abschleifbarer Nutzschicht) die CO2-Speicherungen einbezogen werden.

Produktspezifische Daten

Es können bereits im Wettbewerb Produkt-Kennwerte eingesetzt werden, für die eine Umweltproduktdeklaration (EPD) laut Qualitätskriterien der österreichischen EPD-Plattform vorliegt. Diese sind entsprechend zu dokumentieren.

Für Ökobilanzspezialist*innen: Gemäß international anerkannten Ökobilanzregeln dürfen in Gebäudeökobilanzen nur Datensätze verwendet werden, die auf Hintergrunddatensätzen mit gleichen methodischen Ansätzen beruhen. Für Österreich bedeutet das, dass nur EPD-Datensätze herangezogen werden dürfen, die auf der Hintergrunddatenbank ecoinvent beruhen.

Quelle

Handbuch aspern klimafit 2.0, September 2024. Fachhochschule Technikum Wien, Kompetenzfeld Renewable Energy Systems (DI Thomas Zelger, Jens Leibold MSc., Simon Schneider MSc., Flora Bachleitner BA BSc., Jasmin Helnwein MSc.); Institute of Building Research & Innovation (DI Dr Peter Holzer); Larix Engineering GmbH (David Stuckey MSc., Drin Annekatrin Koch, Bettina Doser MSc.); Drexel reduziert GmbH (Ing Christof Drexel); UIV Urban Innovation Vienna GmbH (DIin (FH) Petra Schöfmann, MSc.). 

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